§ 47f KWG

Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG) vom 10. Juli 1961
L 334 vom 27.12.2019, S. 155).} vom 25. Juni 2021, Bundesgesetzblatt Teil I 2021 Nummer 37 vom 30. Juni 2021 Seite 2083-2098
[13. August 2013–1. Januar 2015]
1§ 47f. Erstellung eines Abwicklungsplans.
(1) [1] Die Bundesanstalt erstellt einen Abwicklungsplan für jedes potentiell systemgefährdende Kreditinstitut, das nicht Teil einer potentiell systemgefährdenden Finanzgruppe ist, die einer Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach Maßgabe der Bankenrichtlinie durch die Bundesanstalt unterliegt. [2] Hat die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit nach § 47d Hindernisse ergeben, die der Erstellung eines Abwicklungsplans entgegenstehen, sind diese Hindernisse zunächst nach § 47e zu beseitigen.
(2) [1] In dem Abwicklungsplan ist dem Abwicklungsziel, eine Systemgefährdung zu vermeiden oder deren Beseitigung zu erleichtern, Rechnung zu tragen. [2] Soweit sie mit dem Ziel der Vermeidung oder erleichterten Beseitigung einer Systemgefährdung im Einklang stehen, sollen die folgenden weiteren Ziele berücksichtigt werden:
  • 1. die Gewährleistung der Kontinuität kritischer Geschäftsaktivitäten;
  • 2. die Vermeidung der Ansteckung anderer Finanzmarktteilnehmer;
  • 3. das Bemühen, die Kosten einer Abwicklung für die Allgemeinheit möglichst gering zu halten, und der Schutz öffentlicher Mittel;
  • 4. der Schutz der unter die Richtlinie 94/19/EG fallenden Einleger und der unter die Richtlinie 97/9/EG fallenden Anleger sowie
  • 5. der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden.
(3) [1] Der Abwicklungsplan sieht die Anwendung von Abwicklungsinstrumenten für den Fall vor, dass hinsichtlich des jeweiligen Kreditinstituts die Voraussetzungen des § 48a Absatz 2 vorliegen. [2] Der Abwicklungsplan berücksichtigt verschiedene Szenarien, unter anderem auch die Fälle, dass die Bestandsgefährdung und ihre Ursachen sich auf das einzelne Kreditinstitut beschränken oder die Bestandsgefährdung in Zeiten allgemeiner finanzieller Instabilität oder systemweiter Ereignisse eintritt. [3] Der Abwicklungsplan soll eine finanzielle Unterstützung nur in Form derjenigen Finanzierungsmechanismen vorsehen, die durch das Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute (Restrukturierungsfondsgesetz) geschaffen worden sind.
(4) Der Abwicklungsplan ist nach folgenden Grundsätzen zu erstellen:
  • 1. Eine Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln soll vermieden werden; die Mittel des Restrukturierungsfonds sollen effizient und sparsam eingesetzt werden.
  • 2. Die Marktdisziplin auf den Finanzmärkten soll erhalten werden.
  • 3. Verluste werden zunächst von den Anteilsinhabern des in Abwicklung befindlichen Kreditinstituts getragen.
  • 4. Nach den Anteilsinhabern sollen die Gläubiger des in Abwicklung befindlichen Instituts nach Maßgabe der Regelungen der §§ 48a bis 48s die Verluste tragen, soweit dies mit den in Absatz 2 genannten Abwicklungszielen vereinbar ist.
  • 5. Kein Gläubiger soll einen höheren Verlust tragen, als er bei einer Liquidation des Instituts in einem regulären Insolvenzverfahren erleiden würde. In diesem Zusammenhang ist es zulässig, zum Zeitpunkt des Einsatzes eines Abwicklungsinstruments eine pauschale Insolvenzquote auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt ermittelten Kapitallücke zu ermitteln.
  • 6. Jeder Geschäftsleiter des in Abwicklung befindlichen Kreditinstituts soll von der Geschäftsleitung ausgeschlossen werden, es sei denn, der Geschäftsleiter hat nach Einschätzung der Bundesanstalt nicht zur Entstehung einer Bestandsgefährdung beigetragen, oder der Ausschluss des Geschäftsleiters würde die Stabilität des Kreditinstituts zusätzlich gefährden.
  • 7. Jeder Geschäftsleiter des in Abwicklung befindlichen Instituts trägt die Verluste in dem Umfang mit, der nach dem Zivil- und Strafrecht seiner individuellen Verantwortung für den Ausfall des Instituts entspricht.
(5) [1] Der Abwicklungsplan soll folgende Elemente enthalten:
  • 1. eine Zusammenfassung der Hauptbestandteile des Abwicklungsplans,
  • 2. eine zusammenfassende Darstellung der seit der ersten Erstellung oder der letzten Aktualisierung eingetretenen wesentlichen Veränderungen innerhalb des Kreditinstituts,
  • 3. eine strategische Analyse, die insbesondere die folgenden Aspekte umfassen soll:
    • a) eine detaillierte Beschreibung der Organisationsstruktur einschließlich einer Aufstellung der rechtlichen Einheiten,
    • b) Angaben zur Eigentümerstruktur,
    • c) Angaben zum Sitz der Geschäftsleitung sowie Angaben zu den Erlaubnissen und Lizenzen jeder wesentlichen rechtlichen Einheit,
    • d) Zuordnung wesentlicher Geschäftsaktivitäten und kritischer Geschäftsaktivitäten zu den rechtlichen Einheiten,
    • e) Angaben zu den wesentlichen Geschäftspartnern und eine Analyse der Auswirkungen eines Ausfalls solcher Geschäftspartner auf die Lage der jeweiligen wesentlichen rechtlichen Einheit,
    • f) Angaben zu allen Finanzmarktinfrastrukturen, denen die jeweilige wesentliche rechtliche Einheit direkt oder indirekt angeschlossen ist, einschließlich der Zuordnung zu den wesentlichen Geschäftsaktivitäten und den kritischen Geschäftsaktivitäten,
    • g) Angaben zur technisch-organisatorischen Ausstattung der jeweiligen wesentlichen rechtlichen Einheit einschließlich der Angaben zu deren tatsächlichem und rechtlichem Rahmen, insbesondere zu Lizenzen, Dienstleistungsvereinbarungen, Wartung,
    • h) Angaben zum jeweils verantwortlichen Geschäftsleiter und zum unterhalb der Geschäftsleitung angesiedelten Ansprechpartner der jeweiligen wesentlichen rechtlichen Einheit und
    • i) alle wesentlichen von der jeweiligen wesentlichen rechtlichen Einheit mit Dritten geschlossenen Vereinbarungen, deren Beendigung durch die Anwendung eines Abwicklungsinstruments, einer Abwicklungsbefugnis, den Eintritt der Insolvenz oder eines vertraglich definierten Vorinsolvenzereignisses unmittelbar oder mittelbar ausgelöst werden könnte, und Angaben dazu, ob durch die Folgen der Beendigung die Anwendung eines Abwicklungsinstruments oder einer Abwicklungsbefugnis beeinträchtigt werden kann; Gleiches gilt, wenn der Dritte zwar nicht die Beendigung, aber sonstige für die jeweilige wesentliche rechtliche Einheit potentiell nachteilige Folgen wie zum Beispiel eine Vertragsstrafe auslösen kann;
  • 4. Ausführungen dazu, wie wesentliche Geschäftsaktivitäten und kritische Geschäftsaktivitäten im erforderlichen Umfang rechtlich und wirtschaftlich von anderen Funktionen getrennt werden können, um deren Fortführung im Falle einer Abwicklung des Kreditinstituts zu gewährleisten,
  • 5. eine Schätzung des Zeitrahmens für die Umsetzung jedes wesentlichen Bestandteils des Plans,
  • 6. eine Darstellung der gemäß § 47d vorgenommenen Bewertung der Abwicklungsfähigkeit,
  • 7. eine Beschreibung der nach § 47e verlangten Maßnahmen zur Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit,
  • 8. eine Beschreibung der Verfahren zur Ermittlung des Werts und der Marktfähigkeit der wesentlichen Geschäftsaktivitäten, der kritischen Geschäftsaktivitäten und der Vermögenswerte der jeweiligen wesentlichen rechtlichen Einheit im Abwicklungsfall,
  • 9. eine detaillierte Beschreibung der Regelungen, durch die gewährleistet werden soll, dass die Informationen, Einschätzungen, Analysen und Gutachten, die gemäß § 47h zur Verfügung zu stellen sind, auf dem aktuellen Stand sind und der Bundesanstalt jederzeit zur Verfügung stehen,
  • 10. Erläuterungen, wie die verschiedenen Abwicklungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Anforderungen nach Absatz 3 Satz 3 finanziert werden können,
  • 11. eine detaillierte Beschreibung der verschiedenen Abwicklungsstrategien, die bei den unterschiedlichen Szenarien im Sinne des § 47d Absatz 2 Nummer 9 angewandt werden könnten,
  • 12. Erläuterungen zu kritischen Vernetzungen,
  • 13. eine Beschreibung der Optionen für die Aufrechterhaltung des Zugangs zu Finanzmarktinfrastrukturen,
  • 14. sofern einschlägig, eine Darstellung der Einbeziehung und Mitwirkung ausländischer Behörden sowie
  • 15. einen Plan für die Kommunikation mit den Medien und der Öffentlichkeit.
[2] Die Bundesanstalt kann weitere Bestandteile in den Abwicklungsplan aufnehmen.
(6) [1] Der Abwicklungsplan ist der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung zur Stellungnahme vorzulegen. [2] Er ist mindestens jährlich sowie nach wesentlichen Änderungen der Rechts- oder Organisationsstruktur des Kreditinstituts, seiner Geschäftstätigkeit oder seiner Finanzlage, die sich wesentlich auf die Umsetzbarkeit des Plans auswirken könnten, zu prüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. [3] Gleiches gilt, wenn die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit oder deren Überprüfung nach § 47d Absatz 4 ergibt, dass Änderungen des Abwicklungsplans geboten sind.
(7) [1] Die Erstellung des Abwicklungsplans in Bezug auf ein Kreditinstitut, das in den Anwendungsbereich von Absatz 1 fällt, auch im Ausland tätig ist und im Falle einer Bestandsgefahr die Stabilität eines ausländischen Finanzmarkts beeinträchtigen könnte, soll in einem Abwicklungskollegium erfolgen. [2] § 8e ist entsprechend anzuwenden.
(8) Die Bundesanstalt kann von der Erstellung eines Abwicklungsplans nach Absatz 1 absehen, wenn
  • 1. das potentiell systemgefährdende Kreditinstitut Teil einer potentiell systemgefährdenden Gruppe ist, deren Beaufsichtigung auf konsolidierter Basis nach Maßgabe der Bankenrichtlinie zwar nicht durch die Bundesanstalt wahrgenommen wird, aber die Bundesanstalt insbesondere durch Teilnahme an einem Abwicklungskollegium zu der Einschätzung gelangt ist, dass ein durch Dritte erstellter Abwicklungsplan den Fall der Bestandsgefährdung des potentiell systemgefährdenden Kreditinstituts ausreichend abdeckt, und
  • 2. die Bundesanstalt ihre Einschätzung ausreichend dokumentiert.
Anmerkungen:
1. 13. August 2013: Artt. 1 Nr. 6, 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 7. August 2013.

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